Kraftwagen: Infrastruktur

Kraftwagen: Infrastruktur
Kraftwagen: Infrastruktur
 
Jedes Auto braucht zu seinem Betrieb eine Infrastruktur. Wesentlich sind dabei die Betriebsmittel, um den Wagen bewegen zu können, ferner ein Netz von Werkstätten zur Wartung und Instandsetzung der Fahrzeuge. Straßen, ihre Unterhaltung, Verkehrspolizei und -gerichtsbarkeit, Autoklubs und Verkaufsfirmen sind nur einige der zahlreichen Systemkomponenten des Straßenverkehrs.
 
 Von der Raffinerie zur Tankstelle: die Betriebsmittel
 
Heutiges Benzin für Automotoren ist ein Hightech-Produkt. Von einfachen Anfängen — Carl Benz betrieb seinen Motor anfangs mit »Ligroin«, einem in Apotheken verkauften Fleckenentferner — wurde es beständig weiterentwickelt. Besonders nach dem Ersten Weltkrieg, als die Motoren das Kraftstoff-Luft-Gemisch stärker verdichteten, stiegen die Anforderungen. Damals kam auch erstmals Markenbenzin gleich bleibender Qualität auf den Markt.
 
Die Einführung des bleihaltigen, besonders klopffesten hochoktanigen Benzins in den USA war ursprünglich motiviert durch den Versuch, Energie einzusparen. Denn um die Energie des Kraftstoffs besser auszunützen, musste man die Verdichtung der Motoren erhöhen. Dies hatte allerdings unerwünschte Nebenwirkungen: Das verdichtete Gemisch explodierte mitunter schon vor der eigentlichen Zündung durch die Zündkerze, der Motor »klopfte«. In den frühen 1920er-Jahren mischte man das billig herzustellende Bleitetraethyl dem Autobenzin als Antiklopfmittel bei. Die Bleibelastung der Umwelt spielte damals noch keine Rolle. Erst durch die massenhafte Emission dieses Schwermetalls und die Entwicklung der Katalysatortechnik — Spuren von Blei schädigen den Katalysator irreversibel — wurde man sich des Problems bewusst. Zunächst in den USA und mittlerweile auch in anderen Industriestaaten wurden verbleite Treibstoffe verboten; als Antiklopfmittel werden heute andere organische Verbindungen zugesetzt.
 
Der Marktanteil von Dieselkraftstoffen hat in den letzten zwei Jahrzehnten zugenommen. Auch ihre Qualität nahm zu. Durch spezielle Additive kann man auch verhindern, dass Dieselkraftstoff bei starkem Frost einfriert. Der Bildung von Ruß lässt sich durch schwefelarmen oder sogar schwefelfreien Dieselkraftstoff entgegenwirken, der ab 2005 in der Europäischen Union verbindlich werden soll.
 
Eine klimaschonendere Variante sind Biokraftstoffe, die aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden und bei der Verbrennung nur die Menge an klimarelevantem Kohlendioxid freisetzen, welche die verwerteten Pflanzen zuvor gebunden hatten. In Brasilien werden seit den 1970er-Jahren umfangreiche Programme mit Bioethanol aus Zuckerrohr oder Mais durchgeführt, der gewöhnlichen Ottokraftstoffen in Anteilen bis zu 15 Prozent beigemischt wird. In unseren Breiten spielt der Biodiesel eine Rolle, der aus Pflanzenöl (meist Rapsöl) hergestellt wird. Das Öl wird in einem aufwendigen chemischen Prozess zu Rapsmethylester (RME) umgewandelt. Dies ist jedoch wesentlich teurer als die Herstellung konventionellen Diesels aus Rohöl; der Raps beansprucht große Nutzflächen und erfordert zur Ernte und zur chemischen Weiterverarbeitung selbst einen hohen Energieaufwand. Erst wenn sämtliche Zwischen- und Restprodukte mit verwertet werden, lässt sich die Gesamt-Energiebilanz verbessern. Ökologisch sinnvoller scheint es, die Pflanzenöle als Grundstoffe für hochwertige, biologisch abbaubare Schmierstoffe zu verwenden.
 
 Service ums Auto: neue Branchen, neue Berufe
 
Tankstellen und Kraftfahrzeughandwerk, Neu- und Gebrauchtwagenhandel wurden, wie auch die Zulieferindustrie, erst seit den 1920er-Jahren volkswirtschaftlich wichtig. Ursprünglich waren Wartung, Reparaturen und Versorgung der Wagen die Aufgabe des Chauffeurs. Im Ersten Weltkrieg war eine militärische Infrastruktur entstanden, die nach Kriegsende zum Vorbild auch für den zivilen Straßenverkehr wurde. Die ersten Tankstellen eröffneten in der zweiten Hälfte der Zwanzigerjahre anfangs in Großstädten. Spezielle Werkstätten zur regelmäßigen Wartung und Reparatur wurden etwa zur selben Zeit schon deswegen nötig, weil die meisten Autobesitzer inzwischen keine Chauffeure mehr beschäftigten. Neue Berufe wie Kfz-Schlosser und -elektriker entstanden. Mit wachsender Komplexität der Autos stiegen auch die Anforderungen an die Mechaniker: Konnten Fahrzeuge anfangs mit ein paar Schraubenschlüsseln zerlegt werden, so mussten Werkstätten bald marken- oder sogar typspezifische Geräte bereithalten. Anfangs reparierten Autowerkstätten jedes motorisierte Gefährt, doch schon in den Dreißigerjahren gab es Vertragsfirmen, die exklusiv nur einen Typ warteten und auch verkauften.
 
Die Reparatur von elektrischen Fahrzeugausrüstungen erforderte in besonderem Maß Spezialwissen und Spezialwerkzeuge. Vor dem Zweiten Weltkrieg bereits besaß eine gut ausgerüstete Werkstatt schon viele elektrische Geräte, die mit wenigen Erweiterungen bis in die 1980er-Jahre hinein zur Wartung von Fahrzeugen ausreichten: Zündkerzenprüfer, Batterieladegeräte, Stroboskoplampen und später auch Oszilloskope zur Zündungseinstellung, Magnetisiergeräte für Zündmagnete und Ähnliches.
 
Mit dem Einzug der Elektronik ins Auto änderten sich die Prüfverfahren. Elektronische Zündungen und Einspritzanlagen erforderten nun neue Testverfahren und -geräte. Wegen der zunehmenden Komplexität der Teile ist es seither meist preisgünstiger, Teile auszutauschen statt sie zu reparieren. Sollte die Tendenz zum Einbau von Elektronik anhalten — bis hin zu einem zentralen Computer, der alle Funktionen von Motor und Fahrgestell steuert —, dürfte dies auch die Ausrüstung der Werkstätten und die Qualifikation der Mitarbeiter beeinflussen. »On-Board-Diagnose« macht bei Oberklassefahrzeugen heute schon viele Prüfarbeiten überflüssig.
 
Dass heutige Personenwagen mit geringeren Toleranzen und hochwertigen Werkstoffen gefertigt werden und generell zuverlässiger geworden sind, wirkt sich auch auf die Inspektionsintervalle aus. Lagen die Wartungsintervalle noch in den 1950er-Jahren bei 2500 Kilometern, werden heute oft 30 000, teilweise 50 000 Kilometer erreicht. Manche Hersteller haben Systeme eingeführt, die die Betriebsbedingungen der Fahrzeuge berücksichtigen und die starren Servicezeiträume überflüssig machen. Der Zentralrechner vermerkt beispielsweise, ob ein Fahrzeug häufig im Kurzstrecken- oder Winterbetrieb gefahren wurde, und verkürzt entsprechend das Intervall; der Fahrer wird auf einem Display darauf aufmerksam gemacht, dass die Wartung fällig ist. Ganz wartungsfrei werden Autos aber auch in Zukunft wohl nicht gebaut werden; schließlich erzielen die rund 49 000 Betriebe des Kfz-Gewerbes die Hälfte ihres Gewinns mit Servicearbeiten.
 
Dr. Kurt Möser
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Kraftwagen: Der geliebte Umweltverschmutzer
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Kraftwagen: Fertigung
 
 
Krüger, Roland u. a.: Alternative Kraftstoffe. Möglichkeiten zur Minderung der VOC-Emissionen im Straßenpersonenverkehr von Baden-Württemberg. Landsberg am Lech 1997.
 Schreiber, Jürgen: Auto-Praxis. .. von A- Z, bearbeitet von Birgit Kollbach und Heinrich Sonntag. Wiesbaden 141997.

Universal-Lexikon. 2012.

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